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Osteuropa

Belarus blickt nicht mehr nach Westen

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Der „letzte Diktator Europas“, wie Alexander Lukaschenko gerne genannt wird, regiert Belarus auch nach 30 Jahren an der Macht weiter mit eiserner Hand. 2020 hatte er noch erklärt, dass die sechste seine letzte Amtszeit sein werde, doch davon ist vier geopolitisch spektakuläre Jahre später nichts mehr zu hören. Die siebte Amtszeit ab 2025 scheint in Vorbereitung. Lukaschenko hat sich die Verfassung mittlerweile so zurechtgebogen, dass er noch bis 2035 uneingeschränkt herrschen kann. Dann wäre er 81.

Die Mehrzahl der Belarusen fühlte sich nach dem Zweiten Weltkrieg sowjetischer, als es etwa Russen taten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war das Zeitfenster für eine echte Demokratisierung und Annäherung an den Westen nur kurz offen, ehe Lukaschenko im Zusammenspiel mit Russlands damaligem Präsidenten Boris Jelzin die belarusisch-russische Beziehung wieder vertiefte. Lukaschenko verstand es in seinen Jahrzehnten an der Macht dabei wie kaum ein anderer, sich nach Ost und West gleichzeitig zu verbiegen, um auf beiderlei Seiten gute Geschäfte für sich, seine Clique und sein Land zu machen.

Der Unionsstaat mit dem großen Bruder Russland erlaubte Belarus ab 1996 den Import von günstiger, weil stark subventionierter Energie. Dem Westen bot man sich als Schwerindustrie- und Transitland mit Investitionschancen an. Das ließ viele die autokratische Herrschaftsform ignorieren, die bis heute deutlich mehr als tausend politische Gefangene die Freiheit kostet. Viele von ihnen sitzen seit den größten Protesten der belarusischen Republiksgeschichte im Jahr 2020 ein, als sie monatelang in Massen gegen die gefälschten Wahlen auf die Straße gingen. Hätte Lukaschenko bei der brutalen Niederschlagung der Proteste und der anschließenden Repression nicht die finanzielle und politische Unterstützung des russischen Präsidenten Wladimir Putin erhalten, wäre er heute ziemlich sicher nicht mehr im Amt.

„Revanchieren“ konnte sich Lukaschenko nicht nur mit der tieferen Integration des Unionsstaates – geleakte Kremldokumente sprachen gar von einer kompletten Einverleibung bis 2030. Auch bei der Vollinvasion der Ukraine diente Belarus als Aufmarschgebiet für den russischen Angriff im Februar 2022. Als der Chef der russischen Söldnerarmee Gruppe Wagner bei seiner Meuterei mit unzufriedenen Soldaten und schwerem Gerät zum Sturm auf Moskau ansetzte, war es abermals Lukaschenko, der Putin einen großen Gefallen tat. Er handelte einen Deal aus, der Putin und Prigoschin zumindest einen Teil ihres Gesichts wahren ließ, indem der Putschist straffrei ins belarusische Exil gehen durfte, das er allerdings nicht lange überleben sollte. Prigoschin fand seinen Tod gemeinsam mit anderem Wagner-Spitzenpersonal bei einem Flugzeugabsturz, der die deutliche Handschrift einer russischen Geheimdienstoperation trug. Viele der Wagner-Kämpfer sind seither nach Russland, in die Ukraine oder nach Afrika gegangen. Nur knapp über 1.000 sollen sich noch in Belarus aufhalten. Sie sind dort kein wirklicher Machtfaktor mehr.

Unklar ist, inwieweit der von Putin und Lukaschenko bestätigte Transfer russischer Atomwaffen nach Belarus tatsächlich umgesetzt wurde. Es gab notwendige Umbauarbeiten, Experten zweifeln aber nach wie vor, ob diese für eine langfristige Stationierung geeignet sind. Putin hätte Lukaschenko damit jedenfalls einen langgehegten Wunsch erfüllt – der Diktator hatte diesen, seit er Ende der 1990er widerwillig seine Atomwaffen aus sowjetischen Beständen abgeben musste. Wenngleich die Russen die Kontrolle über die Waffen behalten werden, hat Belarus bereits auf diese Weise seine Abschreckung stärken können.

Nach dem völligen Bruch mit dem Westen und scharfen Wirtschaftssanktionen infolge der Ereignisse von 2020 und 2022 tut Minsk dies auch mithilfe einer engeren Kooperation mit China, die in gemeinsamen Militärübungen vertieft wurde. 2024 folgte die Aufnahme in die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die neben China und einigen zentralasiatischen früheren Sowjetrepubliken mittlerweile auch Indien, Pakistan und den Iran umfasst. Der Schritt gilt als mögliches Sprungbrett von Belarus für eine künftige Aufnahme in die Gemeinschaft der mächtigen Brics-Staaten. Während die laute, aber geknickte Opposition weiter nach Westen schielt, haben Putin und Lukaschenko Belarus’ Blick gewaltsam nach Osten gewendet.

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