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Bruderstreit

Kanada muss sich an vielen Fronten beweisen

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„Die USA haben einen Handelskrieg losgetreten! Gegen ihren engsten Partner und ihren Alliierten, ihren engsten Freund.“ Kanadas Noch-Premierminister Justin Trudeau wurde Anfang März deutlich. Er adressierte in einer TV-Ansprache nicht nur die eigene Bevölkerung, Trudeau wandte sich auch direkt an die Menschen in den USA. Donald Trump sei direkt dafür verantwortlich, wenn auch für sie das Leben demnächst teurer werden würde. Auch wenn der Präsident sonst bekanntlich schlau sei: „Das ist eine sehr dumme Entscheidung“, redete Trudeau Trump in dessen eitles Gewissen.

Die Stimmung zwischen den großen nordamerikanischen Staaten ist so schlecht wie lange nicht mehr. Das hat teils mit dem Handelskrieg zu tun, vor allem aber mit Trumps Drohungen, Kanada zum 51. Bundesstaat der USA zu machen. Dass der US-Präsident den kanadischen Regierungschef zudem abschätzig nur „Gouverneur“ nennt und damit andeutet, dieser leite nur einen „US-Bundesstaat Kanada“, polierte sogar Trudeaus zuletzt stark ramponiertes Image wieder auf. Da greift plötzlich der Nationalstolz und es kommt zum berühmten „Rally 'round the flag“-Effekt, bei dem sich eine Nation in Krisenzeiten gemeinsam hinter ihrer Regierung vereint.

Die angespannte Stimmung entlädt sich auch in der Rivalität beider Nationen im Eishockey. Als es Mitte Februar bei einem Blitzturnier in der Vorrunde in Montreal zum Aufeinandertreffen zwischen Kanada und den USA kam und die US-Hymne zum wiederholten Male ausgebuht wurde, flogen auf dem Eis binnen Sekunden nach Anpfiff die Fäuste. Die USA gewannen die Partie. Kanada aber revanchierte sich im Finale mit einem Sieg gegen den großen Bruder in der Overtime, was Premier Trudeau den Tweet „You can't take our country – and you can't take our game“ entlockte.

Nach seinem angekündigten Rücktritt wird Trudeau jedenfalls nicht als Spitzenkandidat der Liberalen in die kommenden Wahlen gehen. Hätte Trump nicht die Konfrontation mit Kanada gesucht, wäre es wohl auch nicht so bedeutend gewesen, wer nach der parteiinternen Wahl am 9. März als Premier auf Trudeau nachfolgt. Denn der oppositionelle Herausforderer, der Konservative Pierre Poilievre, der vielen als „Trump light“ gilt, schien lange wie der vorprogrammierte Wahlsieger. Sein bisheriger Kuschelkurs mit dem zusehends unbeliebten US-Präsidenten ließ die totgeglaubten Liberalen nun aber in Umfragen wieder gleichziehen.

Wer auch immer die Geschicke Kanadas demnächst lenkt muss sich nicht nur mit Trumps Zöllen und dessen Übernahmefantasien herumärgern. Durch die zunehmende Annäherung Washingtons an Moskau eröffnen sich für Ottawa auch weitere geopolitische Fronten. Eine ist die Arktis. Seit den Beitritten Schwedens und Finnlands zum transatlantischen Verteidigungsbündnis sind sieben der acht Arktis-Anrainerstaaten Nato-Partner. Ein gemeinschaftliches Einhegen des immer aggressiveren Russlands schien logischer Konsens.

Weil Trump die Allianz aber zu vernichten droht, er sich Moskau zusehends anbiedert und auch anderen Alliierten wie dem dänischen Grönland droht, sehen sich die arktischen Anrainer gezwungen, deutlich mehr in die Verteidigung zu stecken. Da hinkte Kanada mit Ausgaben von knapp 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts dem einstigen Zweiprozentziel der Nato zuletzt schon klar hinterher. Die von der Allianz mittlerweile geforderten drei Prozent und Trumps Wunsch nach fünf Prozent sind noch schwieriger zu erreichen. Der Druck von allen Seiten dürfte Kanada aber zu einer rascheren Kurskorrektur zwingen, als dies bisher geplant war.

Kurz noch ein Punkt, warum es weder zu einer gewaltsamen noch einer friedlichen Eingliederung Kanadas in die Vereinigten Staaten unter Trump kommen wird: Würden sich die USA ihren nördlichen Nachbarn einverleiben, würde dies die Demokraten bei bundesweiten Wahlen zum Kongress oder zum Präsidentenamt massiv stärken und die Republikaner schwächen. Es wäre ein zweites Kalifornien, sagen Wahlforscher. Und wenig verachten die Republikaner so sehr wie den liberalen Bundesstaat.

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