Zum Inhalt springen

Nato-Ostflanke

Litauen kennt die Russen – und fürchtet sie

Von

Artikel teilen

„Fällt die Ukraine, ist Litauen als Nächstes dran“, wiederholt der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis gebetsmühlenartig. Es waren die baltischen Staaten, die ihre EU-Partner immer wieder vor Wladimir Putins Expansionismus und Kriegslüsternheit gewarnt haben. Doch viele wollten ihnen nicht glauben.

Heute liegt Litauen, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, nicht nur in Sachen Unterstützung der Ukraine weltweit im absoluten Spitzenfeld. Auch das staatliche Verteidigungsbudget wächst stetig an. Kürzlich entschied der Nationale Sicherheitsrat, die Ausgaben bis 2030 auf bis zu 5,5 Prozent des BIPs anzuheben. Neue Steuern will man dafür nicht erheben, stattdessen will Vilnius sich mehr Geld leihen, also Schulden machen. Das Parlament hat mit einem höheren Verschuldungslimit den Weg dorthin bereits freigemacht. Neue Schulden für mehr Sicherheit, lautet das Motto.

Dennoch gilt etwa die litauische Luftwaffe als äußerst schwach, sie verfügt über keinerlei Kampfflugzeuge. Daher übernehmen die Nato-Partner die Luftraumüberwachung des knapp drei Millionen Einwohner zählenden Landes. Litauen verfügt aktuell nur über rund 18.500 Berufssoldaten. Vier Jahre nachdem man 2004 der Nato beitrat, wurde die allgemeine Wehrpflicht nämlich abgeschafft. Doch die Vollinvasion der Ukraine änderte auch das. Schon in diesem Jahr wird gemustert, ab dem kommenden Jahr müssen junge Litauer wieder einrücken. Hinzu kommt, dass gemäß der Verfassung jede Bürgerin und jeder Bürger verpflichtet ist, das Land zu verteidigen.

Die Litauer machen sich aber nichts vor. Sie wissen, dass sie alleine einem Angriff der Russen nicht lange standhalten könnten. Auch deshalb ist die Nordatlantische Verteidigungsallianz eine Art Lebensversicherung. Und dennoch tätigt das Land mit seinen beiden nördlichen Nachbarstaaten Estland und Lettland große Investitionen in die sogenannte Baltische Verteidigungslinie. Ziel ist es, mit Zäunen, Bunkeranlagen und Drachenzähnen einen etwaigen Vorstoß der Russen in jedem Fall zu verlangsamen, bis die alliierten Partner anrücken können.

Zur Abschreckung beitragen soll auch die dauerhafte Stationierung einer deutschen, 5.000 Soldatinnen und Soldaten starken, Kampfpanzerbrigade in Litauen, welche dieses Jahr ihre Arbeit aufnimmt und ab 2027 voll einsatzfähig sein soll. Tatsächlich unterstützen Umfragen zufolge rund 85 Prozent der litauischen Bevölkerung die Stationierung von Nato-Truppen im Land. Auch weil sich mit der Suwałki-Lücke eine geopolitisch und geostrategisch so bedrohliche wie wichtige Gegend im Süden Litauens befindet. Es ist jener schmaler Streifen dünn besiedelten Landes, der auf einer Länge von 104 Kilometern (Luftlinie: 65,4 km) die russische Exklave Kaliningrad vom weitestgehend unter russischer Fuchtel stehenden Belarus trennt. Belarus diente Wladimir Putins Truppen ja schon bei der Vollinvasion der Ukraine als Aufmarschgebiet.

Der Nato ist die strategische Bedeutung der Suwałki-Lücke freilich bewusst, immerhin könnten die drei baltischen Staaten so auf dem Landweg von den restlichen Allianz-Partnern abgeschnitten werden. Und so hat nicht nur Polen seine Verteidigungsbefestigungen in der Region erweitert. Auch die Nato-Staaten haben mehrere „Battlegroups“ in der Region stationiert. Auf dass Litauen nicht schon wieder ein Opfer seiner Geografie wird, sondern trotz seiner Lage in Frieden weiterleben kann.

Neueste Artikel

Kanada muss sich an vielen Fronten beweisen

Dem zweitgrößten Staat der Welt stehen ein Handelskrieg mit den USA, Übernahmedrohungen durch Präsident Trump, neue Herausforderungen in der Arktis und vorgezogene Neuwahlen ins Haus. Die Spannungen entluden sich bisher vor allem auf dem Eis.

Tesla-Verkäufe brechen ein

Das ist nicht nur ein Problem von E-Autos – es ist vor allem ein Tesla-Problem. Genauer gesagt: ein Elon-Musk-Problem.

Kann sich Europa auch ohne die USA gegen Russland verteidigen?

Die Verteidigungsausgaben der europäischen Staaten sind ähnlich hoch wie die russischen. Doch es gibt große Unterschiede.