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Nordwestafrika

Marokko will den Atlantik erobern

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Vor der Küste der Westsahara liegt ein Schatz im Atlantik, ein riesiger. Er trägt den Namen Tropic Seamount und ist weder aus dem Flugzeug noch vom Schiff aus erkennbar. Denn beim Tropic handelt es sich um einen vulkanischen Tiefseeberg, dessen Gipfel 970 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Dennoch ist er für Marokko, aber auch für Spanien, das via die Kanaren gleichermaßen Anspruch auf den Berg erhebt, von großem Interesse. Im wenig erforschten Riesen, der vor Millionen von Jahren noch eine Insel gewesen sein dürfte, aus unbekannten Gründen aber absackte, schlummert nämlich eine Vielzahl seltener Erden und Metalle, wie Tellur, Nickel oder Kobalt. Beide Staaten versuchten bislang vergeblich, ihre Ansprüche auf Ausdehnung ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszone im Meer bis ans völkerrechtlich erlaubte Maximum zu belegen und durchzusetzen.

Grund dafür ist auch der geopolitisch komplexe Hintergrund, ist doch der völkerrechtliche Status der Westsahara noch immer umstritten. Das Gebiet, etwas größer als das Vereinigte Königreich, aber mit nur einer Viertelmillion Einwohnern, wurde nach dem Abzug der Spanier sofort von Marokko besetzt und annektiert. Die Westsahara wird von einem riesigen, 2.700 Kilometer langen, künstlich aufgeschobenen Sandwall geteilt, der das Land von Nordost nach Südwest durchzieht – dem Berm. Im Landesinneren hat die von Algerien unterstützte Frente Polisario die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) ausgerufen. Diese wird allerdings nur von ein paar Dutzend afrikanischen und südamerikanischen Staaten anerkannt. Westlich des Berms übt Marokko die alleinige Kontrolle über den weitaus lukrativeren Teil an der Atlantikküste aus. Und Marokko konnte zuletzt einige diplomatische Erfolge verbuchen, indem etwa die Ex-Kolonialmächte Spanien und Frankreich, aber auch die USA die Souveränität Marokkos über die Region mehr oder weniger offiziell anerkannten – im Widerspruch zur Vorgabe von UN und EU, die nach wie vor einen Volksentscheid sehen wollen.

Paris, Madrid und Washington haben diese Entscheidungen freilich aus strategischen Erwägungen getroffen. Die USA versprachen Rabat die Anerkennung, wenn man dafür im Gegenzug die Beziehungen zu Israel im Rahmen der Abraham Accords normalisiert, was wiederum Algerien verärgerte. Dagegen geht es Spanien, das in und vor Marokko einige Exklaven und Inseln besitzt, vor allem um gute Zusammenarbeit in migrationspolitischen Fragen. Frankreich hofft auf Bodenschätze, aber auch, seinen schwindenden Einfluss in der Sahelzone durch gute Beziehungen zu Marokko zu stärken. Marokko soll für Sicherheit und Stabilität in einer unruhigen Region sorgen, die zuletzt von Militärputschen und russischen Söldnern geprägt war. Gerüchte, wonach sich iranische und russische Agenten im 100.000 Menschen zählenden Flüchtlingslager Tindouf in Algerien breitgemacht hätten, sollen Paris zusätzlich besorgt haben. Von Tindouf aus koordinieren und verwalten die Polisarios die DARS.

Das Misstrauen zwischen Algerien und Marokko war und ist groß, und so gehen die beiden Länder aktuell auch außenpolitisch unterschiedliche Wege. Algerien hat vor allem seine Kontakte zum zusehends autoritären Tunesien und zu Libyen verbessert, Marokko und Mauretanien ließ man hingegen links (am Atlantik) liegen. Marokko, das sich auch wirtschaftlich breiter aufstellte und in den vergangenen Jahren viel in grüne Energieträger investierte, will hingegen die Kooperation mit den Staaten der Sahel ausbauen und dort in erster Linie den armen Binnenstaaten Mali, Niger, Tschad und Burkina Faso Handelsperspektiven bieten, indem man neue Straßen, Schienennetze und Häfen baut. Der Weg jener Staaten zum Atlantik führt einerseits durch Mauretanien, zu dem Marokko gute Beziehungen pflegt, aber eben auch durch die Westsahara – was Marokkos Atlantik-Initiative geopolitisch wieder umso komplizierter und spannender macht.

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