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Myanmar

Mit oder ohne russische Waffen mit oder gegen China

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Mehr als dreieinhalb Jahre sind vergangen, seit sich die Fitnesstrainerin Khing Hnin Wai vor der gesperrten zwanzigspurigen Straße, die zum Parlament in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw führt, bei ihrem Powerdance filmte. Aufgrund des abgeschalteten Internets hatte sie nicht mitbekommen, dass im Land gerade wieder einmal das Militär putschte. Diesmal ging es gegen die von Aung San Suu Kyi geführte demokratisch gewählte Regierung. Wai tanzte dabei zu den rhythmischen Klängen des indonesischen Elektropopsongs Ampun bang jago. In fast schon prophetischer Voraussicht heißt es in dem Lied: „Sie kommen einer nach dem anderen und kämpfen um den Thron.“ Lange bekam Wai die gepanzerten Fahrzeuge in ihrem Rücken nicht mit, die mitverantwortlich dafür sind, dass das Land heute tiefer denn je in einem erbitterten Bürgerkrieg steckt, in dem zahlreiche Regionalmächte ihre Interessen verfolgen.

Weil die Militärjunta, die seither den „Thron“ besetzt und Wahlen immer wieder durch die Verlängerung des Ausnahmezustandes verhindert, längst nicht mehr fest im Sattel sitzt, musste das international stark isolierte Myanmar in seinem Kampf gegen die Truppen der demokratischen Schattenregierung sowie zahlreiche ethnische Gruppen immer wieder auf ausländische Kräfte bauen. Da ist einerseits die Achse Naypyidaw-Moskau. Nirgendwohin reiste Militärchef Min Aung Hlaing seit dem Putsch öfter als nach Russland.

Waffenhandel unter Regimen

Das ist kein Wunder: Moskau verkaufte dem Regime stets bereitwillig Waffen; von Februar 2021 bis Mai 2023 überwies die Junta Moskau alleine 400 Millionen Dollar für Waffen, Munition und Militärfahrzeuge. Der Kreml belieferte vor allem auch die myanmarische Luftwaffe mit Hubschraubern und Kampfjets, während der Rest der Welt den Militärputsch verurteilte. Umgekehrt unterstützte Myanmar als einziger Staat des südostasiatischen wirtschaftspolitischen Staatenbundes Asean die russische Vollinvasion der Ukraine. Experten rechnen damit, dass Russland im Falle eines Siegs der Militärjunta mit einem Militärstützpunkt im Land oder freiem Zugang zu einem der Häfen in der Andamanensee und dem Golf von Bengalen belohnt werden könnte. Zweieinhalb Jahre Invasionskrieg zehren aber auch an Russland, weshalb der Kreml zuletzt einige der bereits an Myanmar gelieferten Waffen wieder zurückkaufte. Myanmars Regierung kompensiert dies für gewöhnlich durch den Erwerb von Waffen in China und Indien.

Russland ist aber auch froh, das in Europa mittlerweile unerwünschte Gas und Öl nach Myanmar verkaufen zu können, wenngleich es von dort oft direkt weiter an China geht. Energieexperten stellen sämtlichen Militärregierungen Myanmars der vergangenen Jahrzehnte vernichtende Zeugnisse aus, was die Planung der Energieversorgung betrifft. Mit umso mehr Skepsis wird deshalb beobachtet, wenn die Junta wieder einmal den Bau eines Atomkraftwerks forciert. Russisches Know-how und Uran würden auch die Sorge verstärken, dass Myanmar mehr will und mit einer Atombombe liebäugelt.

China unterstützt mehrere Konfliktparteien

China, neben Russland einer jener fünf Staaten, die legal Atomwaffen besitzen dürfen, dürfte das nicht gefallen, ist man doch prinzipiell daran interessiert, dass sich nukleare Sprengköpfe nicht noch weiter verbreiten. Schon gar nicht in Südasien, wo mit Indien und Pakistan bereits weitere Atommächte die Spannung in der Region erhöhen. Dennoch ist die Achse Naypyidaw-Peking die zweite entscheidende in diesem Konflikt.

Denn China setzt in Myanmar mit beinharter Geopolitik alles daran, seine strategisch guten Karten auszuspielen. Das machte Peking schon bisher klar, indem es in Sachen Waffenlieferungen zweigleisig fährt. China beliefert nämlich nicht nur die Militärjunta mit Waffen. Dort, wo es den chinesischen Interessen dient, unterstützt man auch die aus der nationalen Einheitsregierung Myanmars und zahlreichen ethnischen Milizen bestehende Opposition mit militärischem Gerät.

China verfolgte damit zuletzt vor allem zwei strategische Ziele. Einerseits will man die Region stabilisieren und ein Übergreifen des Konflikts nach China verhindern. Dadurch soll auch der wirtschaftlich so wichtige Korridor zwischen Kunming in China und dem Tiefwasserhafen Kyaukpyu in Myanmar verwirklicht werden, um Rohstoffe via Pipeline zu importieren und chinesische Produkte via Straße und Schiene zu exportieren. Ein zweites Ziel offenbarte sich, als China die sogenannte Operation 1027 der myanmarischen Opposition in grenznahen Regionen gewähren ließ. Die Offensive hatte neben der Bekämpfung der Junta auch die Zerschlagung der mafiösen Strukturen in der Region Kokang im Bundesstaat Shan zum Ziel, die chinesischen Bürgern durch Betrugsmaschen, illegales Glückspiel und Drogenhandel um etliche Milliarden Renminbi gebracht hatte. Dadurch sicherten sich die Rebellen die Unterstützung Pekings. Infolge der Operation 1027 fielen Hunderte Kontrollposten der Junta an die Rebellen und der Glaube an einen Sieg der Militärregierung bröckelte seither stark.

Die Lage im Land ist seither komplexer und unübersichtlicher denn je. Während sich laut Umfragen die Menschen in den umliegenden Ländern kaum für den Konflikt interessieren, verfolgen die Staaten der Region weiter ihre Interessen. Indien sieht in Myanmar eine zusätzliche Route, um den Nordosten des Subkontinents mit dem Rest des Landes zu vernetzen, und wünscht sich daher Stabilität in Myanmar. In Singapur lagern zwei Drittel der Reserven der myanmarischen Regierung in ausländischen Währungen, auch der Stadtstaat hält damit wichtige Zügel in der Hand. Die EU und die USA unterstützen die Opposition in Myanmar politisch, aber nicht militärisch und betonen stets das Schicksal der Rohingya, die Opfer eines Völkermordes wurden. China und Russland verfolgen indes weiterhin andere Interessen und Leidtragende sind mehr als 50 Millionen Menschen, die ein friedliches, demokratisches Myanmar herbeisehnen.

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