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Interview

Neuer Beruf im Krieg

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Eugen Kibez ist eine Berühmtheit in der ukrainischen Musikindustrie, besonders in Kyjiw, wo er die Happy Music Group gegründet hat. Mit seiner Expertise in der Konzertförderung und der Zusammenarbeit mit Künstlern aus Europa und Amerika war Eugen ein bekannter Name in der Musikszene. Er hat Gruppen wie Morcheeba, Godsmack, Garbage,  White Lies und Black Rebel Motorcycle Club in die Ukraine gebracht.

Anfang 2022 wurde die Welt jedoch vom Ausbruch eines Krieges erschüttert, und Eugens Leben nahm eine plötzliche Wendung. Statt Konzerte zu organisieren, fand er sich im Kyjiwer Zoo wieder. Dort half er zusammen mit anderen Freiwilligen, Tiere zu retten, die Menschen auf ihrer Flucht vor der Gewalt zurückgelassen hatten. Viele der Tiere hatten tagelang ohne Wasser und Futter auskommen müssen und benötigten dringend Hilfe.

Trotz der schwierigen Umstände arbeitete Eugen unermüdlich daran, so viele Tiere wie möglich zu retten. Sein Einsatz war allgemein anerkannt und er wurde zu einer Inspiration für andere, die im Krieg helfen wollten. Die Zukunft der ukrainischen Musikindustrie ist ungewiss, doch Eugens Engagement für die Musik und in der Freiwilligenarbeit sind Beweis für seinen Charakter und seine Hingabe. Während die Welt zuschaut und abwartet, was die Zukunft für die Ukraine bereithält, ist eines klar: Eugen Kibez und Leute wie er bewirken etwas mit ihren kleinen Akten der Freundlichkeit.

Wo hast du während der Invasion gelebt?
Ich bin in Kyjiw geblieben. Zuhause. Ich habe vier Tage in einem Schutzraum verbracht. In den ersten Nächten des Krieges gab es Luftangriffe, und es wäre einfach nicht sicher gewesen, in der Wohnung zu bleiben. Auch wusste zu dieser Zeit niemand von uns, wie es ist, in einem Krieg zu leben. Alle haben die Anweisungen der Regierung befolgt – es waren also viele Leute in den Schutzräumen.

Die U-Bahn-Stationen dienten ebenfalls als Bunker – ganze Familien suchten dort Schutz, teilweise mit ihren Haustieren. Nach ein paar Tagen bin ich, wie viele andere, in meine Wohnung zurückgekehrt. Aber wenn es Luftalarm gibt, was in der Ukraine täglich vorkommt, gehe ich nicht in die Nähe der Fenster. Doch selbst das hält mich nicht von wichtiger Arbeit oder freiwilligen Aktivitäten ab.

Wo lebst du jetzt?
In Kyjiw, in meiner Wohnung. Ich habe sie nicht verlassen. Als Freiwilliger reise ich oft durch das Land, aber ich komme immer zurück nach Hause.

Was war dein größtes Problem seit der Invasion?
Ich hatte wirklich Angst, dass mein Kater gestresst sein würde. Er ist einer der Gründe, warum ich aus dem Luftschutzraum nach Hause zurückgekehrt bin. Dort waren immer viele Menschen, die Familien mit ihren Haustieren.

Aber ... Wenn viele Leute um dich herum sind, ist es schwierig, und das Leben steht auf Pause. Es ist alles noch schwerer als sonst. Es ist viel ruhiger, wenn du zusammen durch diese Zeit gehst und, egal wie komisch es klingt, zuhause zu sein, in deiner eigenen Umgebung.

Hast du am 24. Februar 2022 geglaubt, dass die Ukraine sich verteidigen könnte?
Ich habe geglaubt, dass wir einen guten Kampf liefern könnten. Aber ich hätte mir niemals vorstellen können, dass es so ein guter Kampf wäre. Die Russen haben ihre eigene Propaganda als Wahrheit genommen, und das war ihr großer Fehler. Als sie in die Ukraine kamen, haben sie die Realität erlebt: dass sie hier nicht willkommen sind und dass die Ukraine einen anderen, einen europäischen Weg geht.

Glaubst du heute, dass die Ukraine sich verteidigen kann?
Ja. Zu hundert Prozent. Ich sehe es in den Augen der Menschen. Sie werden für unser Land bis zur letzten Person kämpfen. Und das ist für uns unglaublich motivierend und inspirierend. Die Techniker, die nach Schäden durch russischen Raketenbeschuss die kritische Infrastruktur und das Stromnetz reparieren, die Sanitäter, die mutig Leben retten, die Feuerwehrleute, die Lehrer und Lehrerinnen, die während Luftalarm und Raketenangriffen unterrichten, die Freiwilligen, die rund um die Uhr helfen. Ich bewundere diese Menschen, die mir Kraft und Glauben geben, dass wir es schaffen können. Ich habe Vertrauen in unsere Armee, die wirklich Heldentaten vollbringt.

Glaubst du, dass die Ukraine den Krieg gewinnen wird?
Niemand gewinnt diesen Krieg. Oder irgendeinen Krieg. Im Krieg verlieren alle, auf die eine oder andere Weise. Wir müssen nur merken, dass die Welt sich verändert hat, und dass es vor unseren Augen passiert. Hier und jetzt.

Kann die Ukraine auch die Krym zurückerobern?
Ja, das glaube ich. Ich will am Strand von Koktebel eine schöne Tasse Kaffee trinken. Ich hoffe, dass es bald so weit ist, und ich meine Tradition zurückbekomme.

In Deutschland sagen manche Leute, dass die Ukraine aufgeben sollte, um weiteres Leid zu verhindern. Was hältst du davon?
Ich könnte etwas darauf antworten, aber ich darf hier nicht fluchen. Allen, die das fordern, könnte ich beschreiben, wohin sie gehen sollten: dem russischen Schiff hinterher.

Glaubst du, dass du dich persönlich seit der Invasion sehr verändert hast? Und wenn ja, auf welche Weise?
Ich glaube, dass ich mich persönlich nicht groß verändert habe, aber sicher hat sich meine Arbeit verändert. Vor einem Jahr war ich Konzertpromoter mit 15 Jahren Erfahrung. Im März 2022, zwei Wochen nach der Invasion, bin ich Tierretter geworden. Mit meinem Team retten wir Tiere aus den Kampfgebieten. Solche, die durch den Krieg ihre Herrchen und Frauchen, ihr Zuhause verloren haben. Seitdem haben wir über 300 gerettet. Für die meisten von ihnen konnten wir ein neues Zuhause finden. Jetzt eröffne ich mein eigenes Tierheim.

Was ist dein größter Wunsch?
Dass dieser Wahnsinn endet und ich mir ein Flugticket irgendwohin kaufen kann, um dort ein Konzert zu erleben. Etwas zu machen, von dem ich jetzt schon gelangweilt bin.

Was würdest du jetzt tun, wenn es die Invasion niemals gegeben hätte?
Ich würde weiterhin Konzerte organisieren. Und ich hoffe, dass ich das bald auch wieder tun werde. Schließlich ist es eine Tätigkeit, die den Leuten viel Freude und Vergnügen bringt. Das können nur die Leute aus dem Bereich Musik, Tourneen, Konzerten verstehen. Ich will in der ukrainischen Hauptstadt nach dem Krieg ein gutes Konzert organisieren!

Was hast du vor dem Krieg gemacht?
Ich war Konzertpromoter. Normalerweise hat meine Firma jedes Jahr 70 Konzerte organisiert. Wir haben mit vielen unterschiedlichen Bands und Musikern gearbeitet: Morcheeba, Nothing but Thieves, Godsmack, Garbage, IMAX, Balthazar, PAIN, Onyx, und andere. Das waren ganz unterschiedliche Locations, sehr unterschiedliche Musiker, Stile und Genres und, natürlich, Fans. Es fühlt sich unwirklich an.

Und was machst du jetzt?
Ich rette Tiere und baue Tierheime. Aber ich habe letztes Jahr auch drei Konzerte in Kyjiw organisiert. Alle mit lokalen Musikern, aber immerhin. Im Moment sind wir gerade dabei, unser Cats on Mars-Heim auszustatten. Es ist ein Freiwilligenprojekt, das nur mit unserem eigenen Geld und aus Spenden finanziert wird. Auf Patreon kann mehr darüber erfahren. Viele Künstler aus ganz Europa haben ihre Unterstützung für meine ehrenamtliche Arbeit zum Ausdruck gebracht und auch Geld für das Tierheim gesammelt.

Das ist eine enorme Unterstützung und Aufmerksamkeit. Man sollte nicht vergessen, dass nicht nur Menschen im Krieg leiden, sondern auch Tiere. Auch sie leiden an Stress, Angst und Schmerzen. Es ist wichtig, sich dies zu vergegenwärtigen und das Problem zu verstehen und sich selbst in die Verantwortung zu      nehmen. Viele Menschen haben ihre Häuser verlassen und ihre Haustiere zurückgelassen. Das muss nicht so sein! Deshalb haben mein Team und ich beschlossen, uns in diesem Bereich ehrenamtlich zu engagieren.

Glaubst du, dass du den russischen Truppen jemals vergeben kannst?
Nein. Millionen Mal nein. Es gibt nichts mehr in mir, was sie entschuldigen könnte. Leider ist meine Antwort auf diese Frage sehr kurz und bündig: Ihnen verzeihen – nein.

Sollte die Ukraine mit Russland verhandeln?
Nur auf Grundlage unserer Forderungen und nicht über irgendwelche von ihrer Seite, abgesehen von freiem Geleit für alle russischen Truppen, um unser Territorium zu verlassen. Das ist alles, was wir zusichern sollten. Schreckliche Dinge geschehen derzeit in Europa. Der Frieden ist gestört und es gibt keine Sorglosigkeit mehr, und das alles wegen was?! Ich denke ... Keiner der anständigen Menschen auf diesem Planeten hat darauf eine Antwort. Russland hat einen souveränen Staat angegriffen und viel Schmerz und Leid verursacht. Hoffentlich wird sich dieses Land bald für seine Taten verantworten.

Hast du Angst vor einem Atomangriff?
Nein. Ich will nicht jeden Tag in Angst leben. Also habe ich keine Angst davor.

Übersetzer:innen

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